Welche Wirtschaft wollen wir?

Ein nachhaltiges Wirtschaftssystem bietet gute Arbeit, existenzsichernde Löhne und lässt Zeit für unbezahltes Engagement, insbesondere für Betreuungsaufgaben. Es basiert auf Gerechtigkeit in der Verteilung von Ressourcen, Einkommen und Vermögen. Es diskriminiert niemanden und zerstört nicht unsere planetaren Lebensgrundlagen. Es denkt in Kreisläufen und lässt Mitarbeitende mitbestimmen. Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsschäden, Klima- und Lärmemissionen werden nicht externalisiert.

In der Schweiz besteht in all diesen Punkten Handlungsbedarf. Die gängige Messgrösse des Bruttoinlandprodukts (BIP) ist ungeeignet, die Dimensionen nachhaltigen Wirtschaftens zu erfassen.

Der Arbeitsmarkt ist ungerecht organisiert: Während in bestimmten Branchen die CEOs Spitzengehälter in Millionenhöhe beziehen, leben Menschen trotz Erwerbsarbeit in Armut oder als Working poor in prekären Verhältnissen. Löhne in Pflege, Betreuung und Erziehung sind tief und spiegeln nicht ihre gesellschaftliche Relevanz. Frauen erhalten für gleichwertige Arbeit weniger Lohn. Besonders prekäre Beschäftigungen finden wir bei Betreuungspersonen in Privathaushalten, in Kurierdiensten oder im Social Entrepreneurship.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist nicht diskriminierungsfrei gestaltet: Menschen mit Behinderungen werden auf der Stellensuche benachteiligt, sind mit Gewalt und Diskriminierung am Arbeitsplatz konfrontiert und müssen zu oft in geschützten Werkstätten arbeiten. Migrant:innen ist es nach Aufenthaltsstatus verboten zu arbeiten oder schwierig, eine Stelle zu finden. Ausländische Diplome werden nicht ausreichend anerkannt, die Qualifizierung von Migrant:innen – z.B. über Spracherwerb – nicht ausreichend gefördert. Das knappe und teure Kinderbetreuungsangebot hält zu viele Frauen vom Erwerbsleben fern. Sans-Papiers laufen aufgrund ihres nicht gesicherten Status besonders Gefahr, ausgebeutet zu werden.

Wer sich gewerkschaftlich engagiert, riskiert Repressionen, nicht nur in fernen Ländern: In der Schweiz sind gewerkschaftlich aktive Menschen ungenügend vor Kündigung geschützt.

Die Schweiz ist hochgradig globalisiert und importiert den grössten Teil ihrer Konsumgüter. In den globalen Wertschöpfungsketten leiden zu viele Menschen unter ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, sowie Kinderarbeit, Zwangsarbeit und moderner Sklaverei. In ihrer Handelspolitik verpasst es die Schweiz, faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen als striktes Kriterium z.B. in Freihandelsabkommen zu verlangen.

Forderungen

  • Bund und Kantone erarbeitet eine langfristige Strategie, um die Transformation hin zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem sozial und gerecht zu gestalten. Sie investieren in Weiterbildungen und Umschulungen und prüfen eine Arbeitszeitreduktion ohne Einkommensverlust für tiefe Löhne.
  • Die Schweiz investiert verstärkt im Care-Bereich und schafft gute Arbeitsplätze im Bereich Gesundheit, Pflege und Kinderbetreuung.
  • Der Diskriminierungsschutz von Menschen mit Behinderungen gegenüber privaten Arbeitgebern wird gesetzlich verankert und verbindliche Zielvorgaben für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem 1. Arbeitsmarkt geschaffen.
  • Die Schweiz baut strukturelle Hürden im Zugang zu Erwerbsarbeit ab. Sie führt existenzsichernde Mindestlöhne ein, geht mit Kontrollen und Sanktionen gegen geschlechtsspezifische Lohnunterschiede und Diskriminierung vor, und schützt gewerkschaftlich engagierte Menschen vor Kündigung.
  • Der Bundesrat richtet Fördergelder und Forschungsgelder auf nachhaltige Wirtschaft aus. Dabei werden Alternativen zu den klassischen Wirtschaftsmodellen verstärkt sichtbar gemacht.
  • Die Schweiz setzt sich für menschenwürdige Arbeit in der gesamten Wertschöpfungskette ein. Sie nimmt Konzerne mit Sitz in der Schweiz in die Pflicht, führt eine spezifische Sorgfaltspflicht für die Beachtung der Menschenrechte und der Umwelt ein und verankert die acht Kernkonventionen der ILO verbindlich in ihren Freihandelsverträgen.
  • Die Schweiz erarbeitet gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen Alternativen zum BIP.
Schassmann Eva
Autor:innen
Eva Schmassmann

In Zusammenarbeit mit Laurent Matile, Alliance Sud, Gaby Belz, Gemeinwohl Ökonomie/Wirtschaft ist Care, Nina Vladović, HEKS, Regula Bühlmann, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Klaus Thieme, Solidar Suisse, Manuel Lehmann, Thinkpact Zukunft

Bericht als PDF

SDG 8 (PDF)

Weiterführende Literatur
Dieses Kapitel spricht Verbindungen zu folgenden SDGs an: