Partizipation stärken und Handlungsspielräume vergrössern

Die Agenda 2030 versteht Frieden als die Abwesenheit aller Formen von Gewalt: direkte, kulturelle und strukturelle Gewalt.

Partizipation und Mitsprache sind die Grundlagen für friedliche, inklusive Gesellschaften. Wenn Betroffene auf Augenhöhe an Entscheidungsprozessen beteiligt sind, wird Macht tatsächlich geteilt. In der Schweiz ist ein Viertel der Bevölkerung von politischen Prozessen ausgeschlossen. Neben Menschen ohne Schweizer Pass sind auch andere Gruppen wie Frauen, Jugendliche, Menschen mit Migrationserfahrung und Menschen mit Behinderungen oft stark untervertreten. Weltweit werden bei Entwicklungsprojekten lokale und indigene Gemeinschaften kaum in die Ausgestaltung und Umsetzung einbezogen. Bei Friedensprozessen sitzen meist kaum Frauen am Tisch.

Für Partizipation braucht es Handlungsspielraum. Wie Studien von CIVICUS und anderen zeigen, wird dieser für zivilgesellschaftliche Akteur:innen weltweit immer kleiner. Einschränkungen gehen von administrativen Hürden oder eingeschränktem Zugang zu Finanzierung über Einschüchterung und Kriminalisierung bis hin zu physischer Gewalt. Mit strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPPs) wird versucht, Einzelpersonen und Organisationen von einer Stellungnahme oder kritischer Berichterstattung abzuhalten. 2021 wurden mindestens 358 Menschenrechtsverteidiger:innen umgebracht. Auch in der Schweiz steigt der politische Druck auf zivilgesellschaftliche Akteur:innen.

In der internationalen Zusammenarbeit ist die Friedensförderung und der Aufbau einer Friedenskultur unterfinanziert. Wichtig wären die Stärkung der Zivilgesellschaft als eigenständige Entwicklungsakteurin, die Förderung von NGO-Netzwerken und der Schutz vor Gewalt.

Gewaltprävention ist durch den Krieg in der Ukraine aktueller denn je. Gleichzeitig hat der Krieg eine massive Aufrüstungsspirale und Militarisierung in Gang gesetzt. Es besteht die Gefahr, dass dadurch dringend benötigte Gelder für soziale und klimapolitische Massnahmen zurückgestellt werden. Der sicherheitspolitische Bericht der Schweiz 2021 anerkennt erstmals die Klimakrise oder die Gefahr einer Pandemie als sicherheitsrelevante Faktoren. Diese Anerkennung muss mit einer Neuausrichtung der Schweizer Sicherheitspolitik auf kollektive und menschliche Sicherheit nachvollzogen werden.

Durch direkte und strukturelle Gewalt wird dies heute verhindert. Ein Blick auf die Migrations- und Asylpolitik der Schweiz zeigt, dass in Rückkehrzentren oft unwürdige Bedingungen herrschen, die Menschen krank machen.  Menschen werden allein aufgrund von rassifizierten oder ethnisierten Merkmalen – insbesondere Hautfarbe oder (vermuteter) Religionszugehörigkeit – übermässig polizeilich kontrolliert (racial profiling). In der Schweiz ist jede zehnte Frau von psychischer, körperlicher oder sexualisierter Gewalt ihres Ehemannes oder Partners betroffen.

Auch international ist Gewalt- und Konfliktprävention durch die Kontrolle von Finanz- und Waffenströmen nötig. Die Suisse Secrets zeigten, dass die Credit Suisse immer noch Vermögen von Diktatoren und Konflikttreibern und deren Verwandten verwaltet. Laut der Schweizerischen Nationalbank betrug der Wert der Rohstoffe, die aus Russland gekauft und weltweit weiterverkauft werden, in den Jahren vor der Pandemie zwischen 60 Milliarden und 110 Milliarden Franken. Die Schweiz exportiert Waffen in Länder, die Menschenrechte missachten und zivilgesellschaftliches Engagement unterdrücken. Dank der Korrekturinitiative konnten Lockerungen wieder zurückgenommen werden, die selbst Exporte in Bürgerkriegsländer ermöglicht hätten.

Forderungen

  • Bund, Kantone und Gemeinden ziehen Betroffene konsequent in politische Entscheide ein. Es werden ausreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt, um wirksame Teilhabe zu ermöglichen. Marginalisierte Gruppen werden speziell unterstützt.
  • Die Schweiz schafft eine starke Nationale Menschenrechtsinstitution. Die Institution arbeitet unabhängig und ist mit genügend Mitteln ausgestattet.
  • Die Schweiz geht aktiv gegen Repression vor und entwickelt Richtlinien, um NGOs und Medien vor SLAPPs zu schützen.
  • Behörden identifizieren konkrete Präventionsmassnahmen, um strukturelle, institutionelle kulturelle und direkte Gewalt – z.B. racial profiling oder geschlechtsspezifische Gewalt – zu beenden. Sie bauen wirksame Kontrollsysteme auf. Fehlverhalten wird untersucht und bestraft.
  • Die Schweiz respektiert, schützt und fördert zivilgesellschaftliches Engagement in der Schweiz und im Ausland. Sie unterstützt politische Bildung, damit eine diverse Zivilgesellschaft an politischen Prozessen aktiv und auf Augenhöhe beteiligt ist. In ihrer internationalen Zusammenarbeit engagiert sich die Schweiz auch in autokratischen Ländern und in sensiblen Kontexten. Das EDA erhöht die Mittel zum Schutz von Menschenrechtsvertreidiger:innen und Friedensaktivist:innen.
  • Die Schweiz richtet ihre sicherheitspolitische Strategie, inklusive der Schweizer Armee, auf kollektive und menschliche Sicherheit aus und investiert statt in Aufrüstung in die Bekämpfung von Sicherheitsrisiken wie Klimawandel oder Pandemien.
Schassmann Eva
Autor:innen

Eva Schmassmann

In Zusammenarbeit mit Dominik Gross, Alliance Sud, Izabel Barros, cfd, Una Hombrecher, HEKS, Anna Leissing, KOFF/Swisspeace, Andrea Zellhuber, Terre des Hommes Schweiz

Bericht als PDF

SDG 16 (PDF)

Weiterführende Literatur

Dieses Kapitel spricht Verbindungen zu folgenden SDGs an: